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Project Gutenberg's Alice's Abenteuer im Wunderland, by Lewis Carroll
This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
with this eBook or online at www.gutenberg.org
Title: Alice's Abenteuer im Wunderland
Author: Lewis Carroll
Illustrator: John Tenniel
Translator: Antonie Zimmermann
Release Date: February 28, 2007 [EBook #19778]
[This file was first posted on November 13, 2006]
[Last updated: June 22, 2011]
Language: German
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ALICE'S ABENTEUER IM WUNDERLAND ***
Produced by Ralph Janke, David Starner, Marilynda
Fraser-Cunliffe and the Online Distributed Proofreading
Team at http://www.pgdp.net
[Illustration]
Alice's Abenteuer
im Wunderland
von
Lewis Carroll.
Aus dem Englischen von Antonie Zimmermann.
Mit zweiundvierzig Illustrationen
von
John Tenniel.
Autorisirte Ausgabe.
Leipzig
Johann Friedrich Hartknoch.
Originally published in 1869.
O schöner, goldner Nachmittag,
Wo Flut und Himmel lacht!
Von schwacher Kindeshand bewegt,
Die Ruder plätschern sacht --
Das Steuer hält ein Kindesarm
Und lenket unsre Fahrt.
So fuhren wir gemächlich hin
Auf träumerischen Wellen --
Doch ach! die drei vereinten sich,
Den müden Freund zu quälen --
Sie trieben ihn, sie drängten ihn,
Ein Mährchen zu erzählen.
Die erste gab's Commandowort;
O schnell, o fange an!
Und mach' es so, die Zweite bat,
Daß man recht lachen kann!
Die Dritte ließ ihm keine Ruh
Mit wie? und wo? und wann?
Jetzt lauschen sie vom Zauberland
Der wunderbaren Mähr';
Mit Thier und Vogel sind sie bald
In freundlichem Verkehr,
Und fühlen sich so heimisch dort,
Als ob es Wahrheit wär'. --
Und jedes Mal, wenn Fantasie
Dem Freunde ganz versiegt: --
»Das Uebrige ein ander Mal!«
O nein, sie leiden's nicht.
»»Es ist ja schon ein ander Mal!«« --
So rufen sie vergnügt.
So ward vom schönen Wunderland
Das Märchen ausgedacht,
So langsam Stück für Stück erzählt,
Beplaudert und belacht,
Und froh, als es zu Ende war,
Der Weg nach Haus gemacht.
Alice! o nimm es freundlich an!
Leg' es mit güt'ger Hand
Zum Strauße, den Erinnerung
Aus Kindheitsträumen band,
Gleich welken Blüthen, mitgebracht
Aus liebem, fernen Land.
[Der Verfasser wünscht hiermit seine Anerkennung gegen die Uebersetzerin
auszusprechen, die einige eingestreute Parodien englischer Kinderlieder,
welche der deutschen Jugend unverständlich gewesen wären, durch
dergleichen von bekannten deutschen Gedichten ersetzt hat. Ebenso sind
für die oft unübersetzbaren englischen Wortspiele passende deutsche
eingeschoben worden, welche das Buch allein der Gewandtheit der
Uebersetzerin verdankt.]
Inhalt.
1. Hinunter in den Kaninchenbau 1
2. Der Thränenpfuhl 14
3. Caucus-Rennen, und was daraus wird 27
4. Die Wohnung des Kaninchens 39
5. Guter Rath von einer Raupe 55
6. Ferkel und Pfeffer 71
7. Die tolle Theegesellschaft 88
8. Das Croquetfeld der Königin 104
9. Die Geschichte der falschen Schildkröte 121
10. Das Hummerballet 137
11. Wer hat die Kuchen gestohlen? 150
12. Alice ist die Klügste 163
[Illustration]
Erstes Kapitel
Hinunter in den Kaninchenbau.
Alice fing an sich zu langweilen; sie saß schon lange bei ihrer
Schwester am Ufer und hatte nichts zu thun. Das Buch, das ihre Schwester
las, gefiel ihr nicht; denn es waren weder Bilder noch Gespräche darin.
»Und was nützen Bücher,« dachte Alice, »ohne Bilder und Gespräche?«
Sie überlegte sich eben, (so gut es ging, denn sie war schläfrig und
dumm von der Hitze,) ob es der Mühe werth sei aufzustehen und
Gänseblümchen zu pflücken, um eine Kette damit zu machen, als plötzlich
ein weißes Kaninchen mit rothen Augen dicht an ihr vorbeirannte.
Dies war grade nicht _sehr_ merkwürdig; Alice fand es auch nicht _sehr_
außerordentlich, daß sie das Kaninchen sagen hörte: »O weh, o weh! Ich
werde zu spät kommen!« (Als sie es später wieder überlegte, fiel ihr
ein, daß sie sich darüber hätte wundern sollen, doch zur Zeit kam es ihr
Alles ganz natürlich vor.) Aber als das Kaninchen _seine Uhr aus der
Westentasche zog_, nach der Zeit sah und eilig fortlief, sprang Alice
auf; denn es war ihr doch noch nie vorgekommen, ein Kaninchen mit einer
Westentasche und eine Uhr darin zu sehen. Vor Neugierde brennend, rannte
sie ihm nach, über den Grasplatz, und kam noch zur rechten Zeit, um es
in ein großes Loch unter der Hecke schlüpfen zu sehen.
Den nächsten Augenblick war sie ihm nach in das Loch hineingesprungen,
ohne zu bedenken, wie in aller Welt sie wieder herauskommen könnte.
Der Eingang zum Kaninchenbau lief erst geradeaus, wie ein Tunnel und
ging dann plötzlich abwärts; ehe Alice noch den Gedanken fassen konnte
sich schnell festzuhalten, fühlte sie schon, daß sie fiel, wie es
schien, in einen tiefen, tiefen Brunnen.
Entweder mußte der Brunnen sehr tief sein, oder sie fiel sehr langsam;
denn sie hatte Zeit genug, sich beim Fallen umzusehen und sich zu
wundern, was nun wohl geschehen würde. Zuerst versuchte sie hinunter zu
sehen, um zu wissen wohin sie käme, aber es war zu dunkel etwas zu
erkennen. Da besah sie die Wände des Brunnens und bemerkte, daß sie mit
Küchenschränken und Bücherbrettern bedeckt waren; hier und da erblickte
sie Landkarten und Bilder, an Haken aufgehängt. Sie nahm im Vorbeifallen
von einem der Bretter ein Töpfchen mit der Aufschrift: »_Eingemachte
Apfelsinen_«, aber zu ihrem großen Verdruß war es leer. Sie wollte es
nicht fallen lassen, aus Furcht Jemand unter sich zu tödten; und es
gelang ihr, es in einen andern Schrank, an dem sie vorbeikam, zu
schieben.
»Nun!« dachte Alice bei sich, »nach einem solchen Fall werde ich mir
nichts daraus machen, wenn ich die Treppe hinunter stolpere. Wie muthig
sie mich zu Haus finden werden! Ich würde nicht viel Redens machen, wenn
ich selbst von der Dachspitze hinunter fiele!« (Was sehr wahrscheinlich
war.)
Hinunter, hinunter, hinunter! Wollte denn der Fall nie endigen? »Wie
viele Meilen ich wohl jetzt gefallen bin!« sagte sie laut. »Ich muß
ungefähr am Mittelpunkt der Erde sein. Laß sehen: das wären achthundert
und funfzig Meilen, glaube ich --« (denn ihr müßt wissen, Alice hatte
dergleichen in der Schule gelernt, und obgleich dies keine _sehr_ gute
Gelegenheit war, ihre Kenntnisse zu zeigen, da Niemand zum Zuhören da
war, so übte sie es sich doch dabei ein) -- »ja, das ist ungefähr die
Entfernung; aber zu welchem Länge- und Breitegrade ich wohl gekommen
sein mag?« (Alice hatte nicht den geringsten Begriff, was weder
Längegrad noch Breitegrad war; doch klangen ihr die Worte großartig und
nett zu sagen.)
Bald fing sie wieder an. »Ob ich wohl ganz durch die Erde fallen werde!
Wie komisch das sein wird, bei den Leuten heraus zu kommen, die auf dem
Kopfe gehen! die Antipathien, glaube ich.« (Diesmal war es ihr ganz
lieb, daß Niemand zuhörte, denn das Wort klang ihr gar nicht recht.)
»Aber natürlich werde ich sie fragen müssen, wie das Land heißt. Bitte,
liebe Dame, ist dies Neu-Seeland oder Australien?« (Und sie versuchte
dabei zu knixen, -- denkt doch, knixen, wenn man durch die Luft fällt!
Könntet ihr das fertig kriegen?) »Aber sie werden mich für ein
unwissendes kleines Mädchen halten, wenn ich frage! Nein, es geht nicht
an zu fragen; vielleicht sehe ich es irgendwo angeschrieben.«
Hinunter, hinunter, hinunter! Sie konnte nichts weiter thun, also fing
_Alice_ bald wieder zu sprechen an. »_Dinah_ wird mich gewiß heut Abend
recht suchen!« (_Dinah_ war die Katze.) »Ich hoffe, sie werden ihren Napf
Milch zur Theestunde nicht vergessen. _Dinah!_ Mies! ich wollte, du wärest
hier unten bei mir. Mir ist nur bange, es giebt keine Mäuse in der Luft;
aber du könntest einen Spatzen fangen; die wird es hier in der Luft wohl
geben, glaubst du nicht? Und Katzen fressen doch Spatzen?« Hier wurde
Alice etwas schläfrig und redete halb im Traum fort. »Fressen Katzen
gern Spatzen? Fressen Katzen gern Spatzen? Fressen Spatzen gern Katzen?«
Und da ihr Niemand zu antworten brauchte, so kam es gar nicht darauf
an, wie sie die Frage stellte. Sie fühlte, daß sie einschlief und hatte
eben angefangen zu träumen, sie gehe Hand in Hand mit _Dinah_ spazieren,
und frage sie ganz ernsthaft: »Nun, _Dinah_, sage die Wahrheit, hast du je
einen Spatzen gefressen?« da mit einem Male, plump! plump! kam sie auf
einen Haufen trocknes Laub und Reisig zu liegen, -- und der Fall war aus.
Alice hatte sich gar nicht weh gethan. Sie sprang sogleich auf und sah
in die Höhe; aber es war dunkel über ihr. Vor ihr lag ein zweiter langer
Gang, und sie konnte noch eben das weiße Kaninchen darin entlang laufen
sehen. Es war kein Augenblick zu verlieren: fort rannte Alice wie der
Wind, und hörte es gerade noch sagen, als es um eine Ecke bog: »O, Ohren
und Schnurrbart, wie spät es ist!« Sie war dicht hinter ihm, aber als
sie um die Ecke bog, da war das Kaninchen nicht mehr zu sehen. Sie
befand sich in einem langen, niedrigen Corridor, der durch eine Reihe
Lampen erleuchtet war, die von der Decke herabhingen.
Zu beiden Seiten des Corridors waren Thüren; aber sie waren alle
verschlossen. Alice versuchte jede Thür erst auf einer Seite, dann auf
der andern; endlich ging sie traurig in der Mitte entlang, überlegend,
wie sie je heraus kommen könnte.
Plötzlich stand sie vor einem kleinen dreibeinigen Tische, _ganz von
dickem Glas_. Es war nichts darauf als ein winziges goldenes
Schlüsselchen, und _Alice's_ erster Gedanke war, dies möchte zu einer der
Thüren des Corridors gehören. Aber ach! entweder waren die Schlösser zu
groß, oder der Schlüssel war zu klein; kurz, er paßte zu keiner
einzigen. Jedoch, als sie das zweite Mal herum ging, kam sie an einen
niedrigen Vorhang, den sie vorher nicht bemerkt hatte, und dahinter war
eine Thür, ungefähr funfzehn Zoll hoch. Sie steckte das goldene
Schlüsselchen in's Schlüsselloch, und zu ihrer großen Freude paßte es.
Alice schloß die Thür auf und fand, daß sie zu einem kleinen Gange
führte, nicht viel größer als ein Mäuseloch. Sie kniete nieder und sah
durch den Gang in den reizendsten Garten, den man sich denken kann. Wie
wünschte sie, aus dem dunkeln Corridor zu gelangen, und unter den bunten
Blumenbeeten und kühlen Springbrunnen umher zu wandern; aber sie konnte
kaum den Kopf durch den Eingang stecken. »Und wenn auch mein Kopf
hindurch ginge,« dachte die arme Alice, »was würde es nützen ohne die
Schultern. O, ich möchte mich zusammenschieben können wie ein Teleskop!
Das geht gewiß, wenn ich nur wüßte, wie man es anfängt.« Denn es war
kürzlich so viel Merkwürdiges mit ihr vorgegangen, daß Alice anfing zu
glauben, es sei fast nichts unmöglich.
[Illustration]
Es schien ihr ganz unnütz, länger bei der kleinen Thür zu warten. Daher
ging sie zum Tisch zurück, halb und halb hoffend, sie würde noch einen
Schlüssel darauf finden, oder jedenfalls ein Buch mit Anweisungen, wie
man sich als Teleskop zusammenschieben könne. Diesmal fand sie ein
Fläschchen darauf. »Das gewiß vorhin nicht hier stand,« sagte Alice; und
um den Hals des Fläschchens war ein Zettel gebunden, mit den Worten
»_Trinke mich!_« wunderschön in großen Buchstaben drauf gedruckt.
[Illustration]
Es war bald gesagt, »Trinke mich«, aber die altkluge kleine Alice wollte
sich damit nicht übereilen. »Nein, ich werde erst nachsehen,« sprach
sie, »ob ein Todtenkopf darauf ist oder nicht.« Denn sie hatte mehre
hübsche Geschichten gelesen von Kindern, die sich verbrannt hatten oder
sich von wilden Thieren hatten fressen lassen, und in andere unangenehme
Lagen gerathen waren, nur weil sie nicht an die Warnungen dachten, die
ihre Freunde ihnen gegeben hatten; zum Beispiel, daß ein rothglühendes
Eisen brennt, wenn man es anfaßt; und daß wenn man sich mit einem
Messer tief in den Finger schneidet, es gewöhnlich blutet. Und sie hatte
nicht vergessen, daß wenn man viel aus einer Flasche mit einem
Todtenkopf darauf trinkt, es einem unfehlbar schlecht bekommt.
Diese Flasche jedoch hatte keinen Todtenkopf. Daher wagte Alice zu
kosten; und da es ihr gut schmeckte (es war eigentlich wie ein Gemisch
von Kirschkuchen, Sahnensauce, Ananas, Putenbraten, Naute und Armen
Rittern), so trank sie die Flasche aus.
* * * * *
»Was für ein komisches Gefühl!« sagte Alice. »Ich gehe gewiß zu wie ein
Teleskop.«
Und so war es in der That: jetzt war sie nur noch zehn Zoll hoch, und
ihr Gesicht leuchtete bei dem Gedanken, daß sie nun die rechte Höhe
habe, um durch die kleine Thür in den schönen Garten zu gehen. Doch
erst wartete sie einige Minuten, ob sie noch mehr einschrumpfen werde.
Sie war einigermaßen ängstlich; »denn es könnte damit aufhören,« sagte
Alice zu sich selbst, »daß ich ganz ausginge, wie ein Licht. Mich
wundert, wie ich dann aussähe?« Und sie versuchte sich vorzustellen, wie
die Flamme von einem Lichte aussieht, wenn das Licht ausgeblasen ist;
aber sie konnte sich nicht erinnern, dies je gesehen zu haben.
Nach einer Weile, als sie merkte daß weiter nichts geschah, beschloß
sie, gleich in den Garten zu gehen. Aber, arme Alice! als sie an die
Thür kam, hatte sie das goldene Schlüsselchen vergessen. Sie ging nach
dem Tische zurück, es zu holen, fand aber, daß sie es unmöglich
erreichen konnte. Sie sah es ganz deutlich durch das Glas, und sie gab
sich alle Mühe an einem der Tischfüße hinauf zu klettern, aber er war zu
glatt; und als sie sich ganz müde gearbeitet hatte, setzte sich das
arme, kleine Ding hin und weinte.
»Still, was nützt es so zu weinen!« sagte Alice ganz böse zu sich
selbst; »ich rathe dir, den Augenblick aufzuhören!« Sie gab sich oft
sehr guten Rath (obgleich sie ihn selten befolgte), und manchmal schalt
sie sich selbst so strenge, daß sie sich zum Weinen brachte; und
einmal, erinnerte sie sich, hatte sie versucht sich eine Ohrfeige zu
geben, weil sie im Croquet betrogen hatte, als sie gegen sich selbst
spielte; denn dieses eigenthümliche Kind stellte sehr gern zwei Personen
vor. »Aber jetzt hilft es zu nichts,« dachte die arme Alice, »zu thun
als ob ich zwei verschiedene Personen wäre. Ach! es ist ja kaum genug
von mir übrig zu _einer_ anständigen Person!«
Bald fiel ihr Auge auf eine kleine Glasbüchse, die unter dem Tische lag;
sie öffnete sie und fand einen sehr kleinen Kuchen darin, auf welchem
die Worte »_Iß mich!_« schön in kleinen Rosinen geschrieben standen. »Gut,
ich will ihn essen,« sagte Alice, »und wenn ich davon größer werde, so
kann ich den Schlüssel erreichen; wenn ich aber kleiner davon werde, so
kann ich unter der Thür durchkriechen. So, auf jeden Fall, gelange ich
in den Garten, -- es ist mir einerlei wie.«
Sie aß ein Bißchen, und sagte neugierig zu sich selbst: »Aufwärts oder
abwärts?« Dabei hielt sie die Hand prüfend auf ihren Kopf und war ganz
erstaunt zu bemerken, daß sie dieselbe Größe behielt. Freilich geschieht
dies gewöhnlich, wenn man Kuchen ißt; aber Alice war schon so an
wunderbare Dinge gewöhnt, daß es ihr ganz langweilig schien, wenn das
Leben so natürlich fortging.
Sie machte sich also daran, und verzehrte den Kuchen völlig.
Zweites Kapitel.
Der Thränenpfuhl.
[Illustration]
»Verquerer und verquerer!« rief Alice. (Sie war so überrascht, daß sie
im Augenblick ihre eigene _Sprache ganz vergaß_.) »Jetzt werde ich
auseinander geschoben wie das längste Teleskop das es je gab! Lebt wohl,
Füße!« (Denn als sie auf ihre Füße hinabsah, konnte sie sie kaum mehr zu
Gesicht bekommen, so weit fort waren sie schon.) »O meine armen Füßchen!
wer euch wohl nun Schuhe und Strümpfe anziehen wird, meine Besten? denn
ich kann es unmöglich thun! Ich bin viel zu weit ab, um mich mit euch
abzugeben! ihr müßt sehen, wie ihr fertig werdet. Aber gut muß ich zu
ihnen sein,« dachte Alice, »sonst gehen sie vielleicht nicht, wohin ich
gehen möchte. Laß mal sehen: ich will ihnen jeden Weihnachten ein Paar
neue Stiefel schenken.«
Und sie dachte sich aus, wie sie das anfangen würde. »Sie müssen per
Fracht gehen,« dachte sie; »wie drollig es sein wird, seinen eignen
Füßen ein Geschenk zu schicken! und wie komisch die Adresse aussehen
wird! --
_An_
_Alice's rechten Fuß, Wohlgeboren,_
_Fußteppich,_
_nicht weit vom Kamin,_
_mit Alice's Grüßen_.
»Oh, was für Unsinn ich schwatze!«
Gerade in dem Augenblick stieß sie mit dem Kopf an die Decke: sie war in
der That über neun Fuß groß. Und sie nahm sogleich den kleinen goldenen
Schlüssel auf und rannte nach der Gartenthür.
Arme Alice! das Höchste was sie thun konnte war, auf der Seite liegend,
mit einem Auge nach dem Garten hinunterzusehen; aber an Durchgehen war
weniger als je zu denken. Sie setzte sich hin und fing wieder an zu
weinen.
»Du solltest dich schämen,« sagte Alice, »solch großes Mädchen« (da
hatte sie wohl recht) »noch so zu weinen! Höre gleich auf, sage ich
dir!« Aber sie weinte trotzdem fort, und vergoß Thränen eimerweise, bis
sich zuletzt ein großer Pfuhl um sie bildete, ungefähr vier Zoll tief
und den halben Corridor lang.
Nach einem Weilchen hörte sie Schritte in der Entfernung und trocknete
schnell ihre Thränen, um zu sehen wer es sei. Es war das weiße
Kaninchen, das prachtvoll geputzt zurückkam, mit einem Paar weißen
Handschuhen in einer Hand und einen Fächer in der andern. Es trippelte
in großer Eile entlang vor sich hin redend: »Oh! die Herzogin, die
Herzogin! die wird mal außer sich sein, wenn ich sie warten lasse!«
Alice war so rathlos, daß sie Jeden um Hülfe angerufen hätte. Als das
Kaninchen daher in ihre Nähe kam, fing sie mit leiser, schüchterner
Stimme an: »Bitte, lieber Herr. --« Das Kaninchen fuhr zusammen, ließ
die weißen Handschuhe und den Fächer fallen und lief davon in die Nacht
hinein, so schnell es konnte.
[Illustration]
Alice nahm den Fächer und die Handschuhe auf, und da der Gang sehr heiß
war, fächelte sie sich, während sie so zu sich selbst sprach:
»Wunderbar! -- wie seltsam heute Alles ist! Und gestern war es ganz wie
gewöhnlich. Ob ich wohl in der Nacht umgewechselt worden bin? Laß mal
sehen: war ich dieselbe, als ich heute früh aufstand? Es kommt mir fast
vor, als hätte ich wie eine Veränderung in mir gefühlt. Aber wenn ich
nicht dieselbe bin, dann ist die Frage: wer in aller Welt bin ich? Ja,
das ist das Räthsel!« So ging sie in Gedanken alle Kinder ihres Alters
durch, die sie kannte, um zu sehen, ob sie in eins davon verwandelt
wäre.
»Ich bin sicherlich nicht Ida,« sagte sie, »denn die trägt lange Locken,
und mein Haar ist gar nicht lockig; und bestimmt kann ich nicht Clara
sein, denn ich weiß eine ganze Menge, und sie, oh! sie weiß so sehr
wenig! Außerdem, sie ist sie selbst, und ich bin ich, und, o wie confus
es Alles ist! Ich will versuchen, ob ich noch Alles weiß, was ich sonst
wußte. Laß sehen: vier mal fünf ist zwölf, und vier mal sechs ist
dreizehn, und vier mal sieben ist -- o weh! auf die Art komme ich nie
bis zwanzig! Aber, das Einmaleins hat nicht so viel zu sagen; ich will
Geographie nehmen. London ist die Hauptstadt von Paris, und Paris ist
die Hauptstadt von Rom, und Rom -- nein, ich wette, das ist Alles
falsch! Ich muß in Clara verwandelt sein! Ich will doch einmal sehen, ob
ich sagen kann: »Bei einem Wirthe --« und sie faltete sie Hände, als ob
sie ihrer Lehrerin hersagte, und fing an; aber ihre Stimme klang rauh
und ungewohnt, und die Worte kamen nicht wie sonst: --
»Bei einem Wirthe, wunderwild,
Da war ich jüngst zu Gaste,
Ein Bienennest das war sein Schild
In einer braunen Tatze.
Es war der grimme Zottelbär,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßem Honigseim hat er
Sich selber wohl genähret!«
»Das kommt mir gar nicht richtig vor,« sagte die arme Alice, und Thränen
kamen ihr in die Augen, als sie weiter sprach: »Ich muß doch Clara sein,
und ich werde in dem alten kleinen Hause wohnen müssen, und beinah keine
Spielsachen zum Spielen haben, und ach! so viel zu lernen! Nein, das
habe ich mir vorgenommen: wenn ich Clara bin, will ich hier unten
bleiben! Es soll ihnen nichts helfen, wenn sie die Köpfe
zusammenstecken und herunter rufen: »Komm wieder herauf, Herzchen!« Ich
will nur hinauf sehen und sprechen: wer bin ich denn? Sagt mir das erst,
und dann, wenn ich die Person gern bin, will ich kommen; wo nicht, so
will ich hier unten bleiben, bis ich jemand Anderes bin. -- Aber o weh!«
schluchzte Alice plötzlich auf, »ich wünschte, sie sähen herunter! Es
ist mir so langweilig, hier ganz allein zu sein!«
Als sie so sprach, sah sie auf ihre Hände hinab und bemerkte mit
Erstaunen, daß sie beim Reden einen von den weißen Glacee-Handschuhen
des Kaninchens angezogen hatte. »Wie habe ich das nur angefangen?«
dachte sie. »Ich muß wieder klein geworden sein.« Sie stand auf, ging
nach dem Tische, um sich daran zu messen, und fand, daß sie noch
ungefähr zwei Fuß hoch sei, dabei schrumpfte sie noch zusehends ein: sie
merkte bald, daß die Ursache davon der Fächer war, den sie hielt; sie
warf ihn schnell hin, noch zur rechten Zeit, sich vor gänzlichem
Verschwinden zu retten.
»Das war glücklich davon gekommen!« sagte Alice, sehr erschrocken über
die plötzliche Veränderung, aber froh, daß sie noch existirte; »und nun
in den Garten!« und sie lief eilig nach der kleinen Thür: aber ach! die
kleine Thür war wieder verschlossen und das goldene Schlüsselchen lag
auf dem Glastische wie vorher. »Und es ist schlimmer als je,« dachte das
arme Kind, »denn so klein bin ich noch nie gewesen, nein, nie! Und ich
sage, es ist zu schlecht, ist es!«
[Illustration]
Wie sie diese Worte sprach, glitt sie aus, und den nächsten Augenblick,
platsch! fiel sie bis an's Kinn in Salzwasser. Ihr erster Gedanke war,
sie sei in die See gefallen, »und in dem Fall kann ich mit der Eisenbahn
zurückreisen,« sprach sie bei sich. (Alice war einmal in ihrem Leben an
der See gewesen und war zu dem allgemeinen Schluß gelangt, daß wo man
auch an's Seeufer kommt, man eine Anzahl Bademaschinen im Wasser
findet, Kinder, die den Sand mit hölzernen Spaten aufgraben, dann eine
Reihe Wohnhäuser und dahinter eine Eisenbahn-Station); doch merkte sie
bald, daß sie sich in dem Thränenpfuhl befand, den sie geweint hatte,
als sie neun Fuß hoch war.
»Ich wünschte, ich hätte nicht so sehr geweint!« sagte Alice, als sie
umherschwamm und sich herauszuhelfen suchte; »jetzt werde ich wohl dafür
bestraft werden und in meinen eigenen Thränen ertrinken! Das _wird_
sonderbar sein, das! Aber Alles ist heut so sonderbar.«
In dem Augenblicke hörte sie nicht weit davon etwas in dem Pfuhle
plätschern, und sie schwamm danach, zu sehen was es sei: erst glaubte
sie, es müsse ein Wallroß oder ein Nilpferd sein; dann aber besann sie
sich, wie klein sie jetzt war, und merkte bald, daß es nur eine Maus
sei, die wie sie hineingefallen war.
»Würde es wohl etwas nützen,« dachte Alice, »diese Maus anzureden? Alles
ist so wunderlich hier unten, daß ich glauben möchte, sie kann sprechen;
auf jeden Fall habe ich das Fragen umsonst.« Demnach fing sie an: »O
Maus, weißt du, wie man aus diesem Pfuhle gelangt, ich bin von dem
Herumschwimmen ganz müde, o Maus!« (Alice dachte, so würde eine Maus
richtig angeredet; sie hatte es zwar noch nie gethan, aber sie erinnerte
sich ganz gut, in ihres Bruders lateinischer Grammatik gelesen zu haben
»Eine Maus -- einer Maus -- einer Maus -- eine Maus -- o Maus!«) Die
Maus sah sie etwas neugierig an und schien ihr mit dem einen Auge zu
blinzeln, aber sie sagte nichts.
»Vielleicht versteht sie nicht Englisch,« dachte Alice, »es ist
vielleicht eine französische Maus, die mit Wilhelm dem Eroberer herüber
gekommen ist« (denn, trotz ihrer Geschichtskenntiß hatte Alice keinen
ganz klaren Begriff, wie lange irgend ein Ereigniß her sei). Sie fing
also wieder an: »=Où est ma chatte?=« was der erste Satz in ihrem
französischen Conversationsbuche war. Die Maus sprang hoch auf aus dem
Wasser, und schien vor Angst am ganzen Leibe zu beben. »O, ich bitte um
Verzeihung!« rief Alice schnell, erschrocken, daß sie das arme Thier
verletzt habe. »Ich hatte ganz vergessen, daß Sie Katzen nicht mögen.«
»Katzen nicht mögen!« schrie die Maus mit kreischender, wüthender
Stimme. »Würdest du Katzen mögen, wenn du an meiner Stelle wärest?«
[Illustration]
»Nein, wohl kaum,« sagte Alice in zuredendem Tone: »sei nicht mehr böse
darüber. Und doch möchte ich dir unsere Katze Dinah zeigen können. Ich
glaube, du würdest Geschmack für Katzen bekommen, wenn du sie nur sehen
könntest. Sie ist ein so liebes ruhiges Thier,« sprach Alice fort, halb
zu sich selbst, wie sie gemüthlich im Pfuhle daherschwamm; »sie sitzt
und spinnt so nett beim Feuer, leckt sich die Pfoten und wäscht sich das
Schnäuzchen -- und sie ist so hübsch weich auf dem Schoß zu haben -- und
sie ist solch famoser Mäusefänger -- oh, ich bitte um Verzeihung!« sagte
Alice wieder, denn diesmal sträubte sich das ganze Fell der armen Maus,
und Alice dachte, sie müßte sicherlich sehr beleidigt sein. »Wir wollen
nicht mehr davon reden, wenn du es nicht gern hast.«
»Wir, wirklich!« entgegnete die Maus, die bis zur Schwanzspitze
zitterte. »Als ob ich je über solchen Gegenstand spräche! Unsere Familie
hat von jeher Katzen verabscheut: häßliche, niedrige, gemeine Dinger!
Laß mich ihren Namen nicht wieder hören!«
»Nein, gewiß nicht!« sagte Alice, eifrig bemüht, einen andern Gegenstand
der Unterhaltung zu suchen. »Magst du -- magst du gern Hunde?« Die Maus
antwortete nicht, daher fuhr Alice eifrig fort: »Es wohnt ein so
reizender kleiner Hund nicht weit von unserm Hause. Den möchte ich dir
zeigen können! Ein kleiner klaräugiger Wachtelhund, weißt du, ach, mit
solch krausem braunen Fell! Und er apportirt Alles, was man ihm
hinwirft, und er kann aufrecht stehen und um sein Essen betteln, und so
viel Kunststücke -- ich kann mich kaum auf die Hälfte besinnen -- und er
gehört einem Amtmann, weißt du, und er sagt, er ist so nützlich, er ist
ihm hundert Pfund werth! Er sagt, er vertilgt alle Ratten und -- oh wie
dumm!« sagte Alice in reumüthigem Tone. »Ich fürchte, ich habe ihr
wieder weh gethan!« Denn die Maus schwamm so schnell sie konnte von ihr
fort und brachte den Pfuhl dadurch in förmliche Bewegung.
Sie rief ihr daher zärtlich nach: »Liebes Mäuschen! Komm wieder zurück,
und wir wollen weder von Katzen noch von Hunden reden, wenn du sie nicht
gern hast!« Als die Maus das hörte, wandte sie sich um und schwamm
langsam zu ihr zurück; ihr Gesicht war ganz blaß (vor Aerger, dachte
Alice), und sie sagte mit leiser, zitternder Stimme: »Komm mit mir an's
Ufer, da will ich dir meine Geschichte erzählen; dann wirst du
begreifen, warum ich Katzen und Hunde nicht leiden kann.«
Es war hohe Zeit sich fortzumachen; denn der Pfuhl begann von allerlei
Vögeln und Gethier zu wimmeln, die hinein gefallen waren: da war eine
Ente und ein Dodo, ein rother Papagei und ein junger Adler, und mehre
andere merkwürdige Geschöpfe. Alice führte sie an, und die ganze
Gesellschaft schwamm an's Ufer.
[Illustration]
Drittes Kapitel.
Caucus-Rennen und was daraus wird.
Es war in der That eine wunderliche Gesellschaft, die sich am Strande
versammelte -- die Vögel mit triefenden Federn, die übrigen Thiere mit
fest anliegendem Fell, Alle durch und durch naß, verstimmt und
unbehaglich. --
Die erste Frage war, wie sie sich trocknen könnten: es wurde eine
Berathung darüber gehalten, und nach wenigen Minuten kam es Alice
ganz natürlich vor, vertraulich mit ihnen zu schwatzen, als ob sie
sie ihr ganzes Leben gekannt hätte. Sie hatte sogar eine lange
Auseinandersetzung mit dem Papagei, der zuletzt brummig wurde und nur
noch sagte: »ich bin älter als du und muß es besser wissen;« dies wollte
Alice nicht zugeben und fragte nach seinem Alter, und da der Papagei es
durchaus nicht sagen wollte, so blieb die Sache unentschieden.
Endlich rief die Maus, welche eine Person von Gewicht unter ihnen zu
sein schien: »Setzt euch, ihr Alle, und hört mir zu! ich will euch bald
genug trocken machen!« Alle setzten sich sogleich in einen großen Kreis
nieder, die Maus in der Mitte. Alice hatte die Augen erwartungsvoll auf
sie gerichtet, denn sie war überzeugt, sie werde sich entsetzlich
erkälten, wenn sie nicht sehr bald trocken würde.
»Hm!« sagte die Maus mit wichtiger Miene, »seid ihr Alle so weit? Es ist
das Trockenste, worauf ich mich besinnen kann. Alle still, wenn ich
bitten darf! -- Wilhelm der Eroberer, dessen Ansprüche vom Papste
begünstigt wurden, fand bald Anhang unter den Engländern, die einen
Anführer brauchten, und die in jener Zeit sehr an Usurpation und
Eroberungen gewöhnt waren. Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und
Northumbria --«
»_Oooh_!« gähnte der Papagei und schüttelte sich.
»Bitte um Verzeihung!« sprach die Maus mit gerunzelter Stirne, aber sehr
höflich; »bemerkten Sie etwas?«
»Ich nicht!« erwiederte schnell der Papagei.
»Es kam mir so vor,« sagte die Maus. -- »Ich fahre fort: Edwin und
Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria, erklärten sich für ihn; und
selbst Stigand, der patriotische Erzbischof von Canterbury fand es
rathsam --«
»Fand _was_?« unterbrach die Ente.
»Fand _es_,« antwortete die Maus ziemlich aufgebracht: »du wirst doch wohl
wissen, was _es_ bedeutet.«
»Ich weiß sehr wohl, was _es_ bedeutet, wenn _ich_ etwas finde«, sagte die
Ente: »_es_ ist gewöhnlich ein Frosch oder ein Wurm. Die Frage ist, was
fand der Erzbischof?«
Die Maus beachtete die Frage nicht, sondern fuhr hastig fort: -- »fand
es rathsam, von Edgar Atheling begleitet, Wilhelm entgegen zu gehen und
ihm die Krone anzubieten. Wilhelms Benehmen war zuerst gemäßigt, aber
die Unverschämtheit der Normannen -- wie steht's jetzt, Liebe?« fuhr sie
fort, sich an Alice wendend.
»Noch ganz eben so naß,« sagte Alice schwermüthig; »es scheint mich gar
nicht trocken zu machen.«
»In dem Fall,« sagte der Dodo feierlich, indem er sich erhob, »stelle
ich den Antrag, daß die Versammlung sich vertage und zur unmittelbaren
Anwendung von wirksameren Mitteln schreite.«
»Sprich deutlich!« sagte der Adler. »Ich verstehe den Sinn von deinen
langen Wörtern nicht, und ich wette, du auch nicht!« Und der Adler
bückte sich, um ein Lächeln zu verbergen; einige der andern Vögel
kicherten hörbar.
»Was sich sagen wollte,« sprach der Dodo in gereiztem Tone, »war, daß
das beste Mittel uns zu trocknen ein Caucus-Rennen wäre.«
»Was ist ein Caucus-Rennen?« sagte Alice, nicht daß ihr viel daran lag
es zu wissen; aber der Dodo hatte angehalten, als ob er eine Frage
erwarte, und Niemand anders schien aufgelegt zu reden.
»Nun,« meinte der Dodo, »die beste Art, es zu erklären, ist, es zu
spielen.« (Und da ihr vielleicht das Spiel selbst einen
Winter-Nachmittag versuchen möchtet, so will ich erzählen, wie der Dodo
es anfing.)
Erst bezeichnete er die Bahn, eine Art Kreis (»es kommt nicht genau auf
die Form an,« sagte er), und dann wurde die ganze Gesellschaft hier und
da auf der Bahn aufgestellt. Es wurde kein »eins, zwei drei, fort!«
gezählt, sondern sie fingen an zu laufen wenn es ihnen einfiel, hörten
auf wie es ihnen einfiel, so daß es nicht leicht zu entscheiden war,
wann das Rennen zu Ende war. Als sie jedoch ungefähr eine halbe Stunde
gerannt und vollständig getrocknet waren, rief der Dodo plötzlich: »Das
Rennen ist aus!« und sie drängten sich um ihn, außer Athem, mit der
Frage: »Aber wer hat gewonnen?«
Diese Frage konnte der Dodo nicht ohne tiefes Nachdenken beantworten,
und er saß lange mit einem Finger an die Stirn gelegt (die Stellung, in
der ihr meistens Shakespeare in seinen Bildern seht), während die
Uebrigen schweigend auf ihn warteten. Endlich sprach der Dodo: »Jeder
hat gewonnen, und Alle sollen Preise haben.«
»Aber wer soll die Preise geben?« fragte ein ganzer Chor von Stimmen.
»Versteht sich, sie!« sagte der Dodo, mit dem Finger auf Alice zeigend,
und sogleich umgab sie die ganze Gesellschaft, Alle durch einander
rufend: »Preise Preise!«
Alice wußte nicht im Geringsten, was da zu thun sei; in ihrer
Verzweiflung fuhr sie mit der Hand in die Tasche und zog eine Schachtel
Zuckerplätzchen hervor (glücklicherweise war das Salzwasser nicht hinein
gedrungen); die vertheilte sie als Preise. Sie reichten gerade herum,
eins für Jeden.
»Aber sie selbst muß auch einen Preis bekommen, wißt ihr,« sagte die
Maus.
»Versteht sich,« entgegnete der Dodo ernst. »Was hast du noch in der
Tasche?« fuhr er zu Alice gewandt fort.
»Nur einen Fingerhut,« sagte Alice traurig.
»Reiche ihn mir herüber,« versetzte der Dodo. Darauf versammelten sich
wieder Alle um sie, während der Dodo ihr den Fingerhut feierlich
überreichte, mit den Worten: »Wir bitten, Sie wollen uns gütigst mit der
Annahme dieses eleganten Fingerhutes beehren;« und als er diese kurze
Rede beendigt hatte, folgte allgemeines Beifallklatschen.
[Illustration]
Alice fand dies Alles höchst albern; aber die ganze Gesellschaft sah so
ernst aus, daß sie sich nicht zu lachen getraute, und da ihr keine
passende Antwort einfiel, verbeugte sie sich einfach und nahm den
Fingerhut ganz ehrbar in Empfang.
Nun mußten zunächst die Zuckerplätzchen verzehrt werden, was nicht wenig
Lärm und Verwirrung hervorrief; die großen Vögel nämlich beklagten sich,
daß sie nichts schmecken konnten, die kleinen aber verschluckten sich
und mußten auf den Rücken geklopft werden. Endlich war auch dies
vollbracht, und Alle setzten sich im Kreis herum und drangen in das
Mäuslein, noch etwas zu erzählen.
»Du hast mir deine Geschichte versprochen,« sagte Alice -- »und woher es
kommt, daß du K. und H. nicht leiden kannst,« fügte sie leise hinzu, um
nur das niedliche Thierchen nicht wieder böse zu machen.
»Ach,« seufzte das Mäuslein, »ihr macht euch ja aus meinem Erzählen doch
nichts; ich bin euch mit meiner Geschichte zu langschwänzig und zu
tragisch.« Dabei sah sie Alice fragend an.
»Langschwänzig! das muß wahr sein!« rief Alice und sah nun erst mit
rechter Verwunderung auf den geringelten Schwanz der Maus hinab; »aber
wie so tragisch? was trägst du denn?« Während sie noch darüber nachsann,
fing die langschwänzige Erzählung schon an, folgendergestalt:
Filax sprach zu
der Maus, die
er traf
in dem
Haus:
»Geh' mit
mir vor
Gericht,
daß ich
dich
verklage.
Komm und
wehr' dich
nicht mehr;
ich muß
haben ein
Verhör,
denn ich
habe
nichts
zu thun
schon
zwei
Tage.«
Sprach die
Maus zum
Köter:
»Solch
Verhör,
lieber Herr,
ohne
Richter,
ohne
Zeugen
thut nicht
Noth.«
»Ich bin
Zeuge,
ich bin
Richter,«
sprach
er schlau
und schnitt
Gesichter,
»das Verhör
leite ich
und
verdamme
dich
zum
Tod!«
»Du paßt nicht auf!« sagte die Maus strenge zu Alice. »Woran denkst du?«
»Ich bitte um Verzeihung,« sagte Alice sehr bescheiden: »du warst bis
zur fünften Biegung gekommen, glaube ich?«
»Mit nichten!« sagte die Maus entschieden und sehr ärgerlich.
»Nichten!« rief Alice, die gern neue Bekanntschaften machte, und sah
sich neugierig überall um. »O, wo sind sie, deine Nichten? Laß mich
gehen und sie her holen!«
»Das werde ich schön bleiben lassen,« sagte die Maus, indem sie aufstand
und fortging. »Deinen Unsinn kann ich nicht mehr mit anhören!«
»Ich meinte es nicht böse!« entschuldigte sich die arme Alice. »Aber du
bist so sehr empfindlich, du!«
Das Mäuslein brummte nur als Antwort.
»Bitte, komm wieder, und erzähle deine Geschichte aus!« rief Alice ihr
nach; und die Andern wiederholten im Chor: »ja bitte!« aber das Mäuschen
schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging schnell fort.
»Wie schade, daß es nicht bleiben wollte!« seufzte der Papagei, sobald
es nicht mehr zu sehen war; und eine alte Unke nahm die Gelegenheit
wahr, zu ihrer Tochter zu sagen, »Ja, mein Kind! laß dir dies eine Lehre
sein, niemals _übler_ Laune zu sein!« »Halt den Mund, Mama!« sagte die
junge Unke, etwas naseweis.
»Wahrhaftig, du würdest die Geduld einer Auster erschöpfen!«
»Ich wünschte, ich hätte unsere Dinah hier, das wünschte ich!« sagte
Alice laut, ohne Jemand insbesondere anzureden. »Sie würde sie bald
zurückholen!«
»Und wer ist Dinah, wenn ich fragen darf?« sagte der Papagei.
Alice antwortete eifrig, denn sie sprach gar zu gern von ihrem Liebling:
»Dinah ist unsere Katze, und sie ist euch so geschickt im Mäusefangen,
ihr könnt's euch gar nicht denken! Und ach, hättet ihr sie nur Vögel
jagen sehen. Ich sage euch, sie frißt einen kleinen Vogel, so wie sie
ihn zu Gesicht bekommt.«
Diese Mittheilung verursachte große Aufregung in der Gesellschaft.
Einige der Vögel machten sich augenblicklich davon; eine alte Elster
fing an, sich sorgfältig einzuwickeln, indem sie bemerkte: »Ich muß
wirklich nach Hause gehen; die Nachtluft ist nicht gut für meinen Hals!«
und ein Canarienvogel piepte zitternd zu seinen Kleinen, »Kommt fort,
Kinder! es ist die höchste Zeit für euch, zu Bett zu gehen!« Unter
verschiedenen Entschuldigungen entfernten sie sich Alle, und Alice war
bald ganz allein.
»Hätte ich nur Dinah nicht erwähnt!« sprach sie bei sich mit betrübtem
Tone. »Niemand scheint sie gern zu haben, hier unten, und dabei ist sie
doch die beste Katze von der Welt! Oh, meine liebe Dinah! ob ich dich
wohl je wieder sehen werde!« dabei fing die arme Alice von Neuem zu
weinen an, denn sie fühlte sich gar zu einsam und muthlos. Nach einem
Weilchen jedoch hörte sie wieder ein Trappeln von Schritten in der
Entfernung und blickte aufmerksam hin, halb in der Hoffnung, daß die
Maus sich besonnen habe und zurückkomme, ihre Geschichte auszuerzählen.
Viertes Kapitel.
Die Wohnung des Kaninchens.
Es war das weiße Kaninchen, das langsam zurückgewandert kam, indem es
sorgfältig beim Gehen umhersah, als ob es etwas verloren hätte, und sie
hörte wie es für sich murmelte: »die Herzogin! die Herzogin! Oh, meine
weichen Pfoten! o mein Fell und Knebelbart! Sie wird mich hängen lassen,
so gewiß Frettchen Frettchen sind! Wo ich sie kann haben fallen lassen,
begreife ich nicht!« Alice errieth augenblicklich, daß es den Fächer und
die weißen Glaceehandschuhe meinte, und gutmüthig genug fing sie an,
danach umher zu suchen, aber sie waren nirgends zu sehen -- Alles schien
seit ihrem Bade in dem Pfuhl verwandelt zu sein, und der große Corridor
mit dem Glastische und der kleinen Thür war gänzlich verschwunden.
Das Kaninchen erblickte Alice bald, und wie sie überall suchte, rief es
ihr ärgerlich zu: »Was, Marianne, was hast du hier zu schaffen? Renne
augenblicklich nach Hause, und hole mir ein Paar Handschuhe und einen
Fächer! Schnell, vorwärts!« Alice war so erschrocken, daß sie schnell in
der angedeuteten Richtung fortlief, ohne ihm zu erklären, daß es sich
versehen habe.
»Es hält mich für sein Hausmädchen,« sprach sie bei sich selbst und lief
weiter. »Wie es sich wundern wird, wenn es erfährt, wer ich bin! Aber
ich will ihm lieber seinen Fächer und seine Handschuhe bringen
-- nämlich, wenn ich sie finden kann.« Wie sie so sprach, kam sie an ein
nettes kleines Haus, an dessen Thür ein glänzendes Messingschild war mit
dem Namen »W. _Kaninchen_« darauf. Sie ging hinein ohne anzuklopfen, lief
die Treppe hinauf, in großer Angst, der wirklichen Marianne zu begegnen
und zum Hause hinausgewiesen zu werden, ehe sie den Fächer und die
Handschuhe gefunden hätte.
»Wie komisch es ist,« sagte Alice bei sich, »Besorgungen für ein
Kaninchen zu machen! Vermuthlich wird mir Dinah nächstens Aufträge
geben!« Und sie dachte sich schon aus, wie es Alles kommen würde:
»Fräulein Alice! Kommen Sie gleich, es ist Zeit zum Ausgehen für Sie!«
»Gleich Kinderfrau! aber ich muß dieses Mäuseloch hier bewachen bis
Dinah wiederkommt, und aufpassen, daß die Maus nicht herauskommt.« »Nur
würde Dinah,« dachte Alice weiter, »gewiß nicht im Hause bleiben dürfen,
wenn sie anfinge, die Leute so zu commandiren.«
Mittlerweile war sie in ein sauberes kleines Zimmer gelangt, mit einem
Tisch vor dem Fenster und darauf (wie sie gehofft hatte) ein Fächer und
zwei oder drei Paar winziger weißer Glaceehandschuhe; sie nahm den
Fächer und ein Paar Handschuhe und wollte eben das Zimmer verlassen, als
ihr Blick auf ein Fläschchen fiel, das bei dem Spiegel stand. Diesmal
war kein Zettel mit den Worten: »_Trink mich_« darauf, aber trotzdem zog
sie den Pfropfen heraus und setzte es an die Lippen. »Ich weiß, _etwas_
Merkwürdiges muß geschehen, sobald ich esse oder trinke; drum will ich
versuchen, was dies Fläschchen thut. Ich hoffe, es wird mich wieder
größer machen; denn es ist mir sehr langweilig, solch winzig kleines
Ding zu sein!«
Richtig, und zwar schneller, als sie erwartete: ehe sie das Fläschchen
halb ausgetrunken hatte fühlte sie, wie ihr Kopf an die Decke stieß,
und mußte sich rasch bücken, um sich nicht den Hals zu brechen. Sie
stellte die Flasche hin, indem sie zu sich sagte: »Das ist ganz genug --
ich hoffe, ich werde nicht weiter wachsen -- ich kann so schon nicht zur
Thüre hinaus -- hätte ich nur nicht so viel getrunken!«
[Illustration]
O weh! es war zu spät, dies zu wünschen. Sie wuchs und wuchs, und mußte
sehr bald auf den Fußboden niederknien; den nächsten Augenblick war
selbst dazu nicht Platz genug, sie legte sich nun hin, mit einem
Ellbogen gegen die Thür gestemmt und den andern Arm unter dem Kopfe.
Immer noch wuchs sie, und als letzte Hülfsquelle streckte sie einen Arm
zum Fenster hinaus und einen Fuß in den Kamin hinauf, und sprach zu sich
selbst: »Nun kann ich nicht mehr thun, was auch geschehen mag. Was _wird_
nur aus mir werden?«
Zum Glück für Alice hatte das Zauberfläschchen nun seine volle Wirkung
gehabt, und sie wuchs nicht weiter. Aber es war sehr unbequem, und da
durchaus keine Aussicht war, daß sie je wieder aus dem Zimmer hinaus
komme, so war sie natürlich sehr unglücklich.
»Es war viel besser zu Hause,« dachte die arme Alice, »wo man nicht
fortwährend größer und kleiner wurde, und sich nicht von Mäusen und
Kaninchen commandiren zu lassen brauchte. Ich wünschte fast, ich wäre
nicht in den Kaninchenbau hineingelaufen -- aber -- aber, es ist doch
komisch, diese Art Leben! Ich möchte wohl wissen, _was_ eigentlich mit mir
vorgegangen ist! Wenn ich Märchen gelesen habe, habe ich immer gedacht,
so etwas käme nie vor, nun bin ich mitten drin in einem! Es sollte ein
Buch von mir geschrieben werden, und wenn ich groß bin, will ich eins
schreiben -- aber ich bin ja jetzt groß,« sprach sie betrübt weiter,
»wenigstens _hier_ habe ich keinen Platz übrig, noch größer zu werden.«
»Aber,« dachte Alice, »werde ich denn nie älter werden, als ich jetzt
bin? das ist ein Trost -- nie eine alte Frau zu sein -- aber dann --
immer Aufgaben zu lernen zu haben! Oh, _das_ möchte ich nicht gern!«
»O, du einfältige Alice,« schalt sie sich selbst. »Wie kannst du hier
Aufgaben lernen? Sieh doch, es ist kaum Platz genug für dich, viel
weniger für irgend ein Schulbuch!«
Und so redete sie fort; erst als eine Person, dann die andere, und hatte
so eine lange Unterhaltung mit sich selbst; aber nach einigen Minuten
hörte sie draußen eine Stimme und schwieg still, um zu horchen.
»Marianne! Marianne!« sagte die Stimme, »hole mir gleich meine
Handschuhe!« dann kam ein Trappeln von kleinen Füßen die Treppe herauf.
Alice wußte, daß es das Kaninchen war, das sie suchte, und sie zitterte
so sehr, daß sie das ganze Haus erschütterte; sie hatte ganz vergessen,
daß sie jetzt wohl tausend Mal so groß wie das Kaninchen war und keine
Ursache hatte, sich vor ihm zu fürchten.
Jetzt kam das Kaninchen an die Thür und wollte sie aufmachen; da aber
die Thür nach innen aufging und Alice's Ellbogen fest dagegen gestemmt
war, so war es ein vergeblicher Versuch. Alice hörte, wie es zu sich
selbst sprach: »dann werde ich herum gehen und zum Fenster
hineinsteigen.«